Rüdesheimer Rindvieh
“Kuuh! Kuuuh!” Wenn früh morgens das Horn des Viehhirten
durch Rüdesheim erschallte, öffneten sich viele Tore und zahlreiche
Kühe trotteten durch die Gassen bis zum Kühtor in der Obergasse.
Die Tiere brauchten kein Geleit, denn dank ihres Herdentriebes wussten
sie schon allein, wohin der Weg ging. Die Leitkuh mit der Glocke um den
Hals führte nun die Herde auf dem engen Kühweg (nicht Kuhweg!)
hinauf zur Weide auf dem Ebental, bewacht vom Gemeindehirten, dessen Hütejungen und Hunden. Die Gemeindeweide und
Ochsenwiese, rund 15.000 qm groß, lagen auf dem alten Ebental, nach
dem Niederwald zu; daneben, an der Einmündung des Engerweges sprudelte
aus dem sumpfigen Wiesen des Kühtränkerloches eine Quelle als
Viehtränke (heute zur Trinkwasserversorgung gefasst). Die Kronen
der Apfel- und Birnbäume, welche auf der Weide dem Vieh Schatten
spendeten, waren unten so hoch abgeweidet, wie die Kuhmäuler reichten.
Da die Rüdesheimer Bürger weitgehend auf eine Selbstversorgung
mit Milch, Fleisch und Dünger angewiesen waren, hielt fast jeder
zweite Haushalt Vieh und man zählte im 18. Jahrhundert bis zu 500
Rinder, selbst 1873 waren es noch 273 Stück. Hingegen war in der
Weinbaugemeinde Weideland rar, denn nur 1,5% der Gemarkungsfläche
waren Wiesen. Bis ins 17. Jahrhundert trieben die Hirten die Kühe
gar in die Wälder, was aber die Gemeindeverwaltung nicht gerne sah,
da das Vieh auch den jungen Baumbestand abfraß. So legte sie auf
dem Ebental eine gemeindeeigene Weide an, die von der Aulhauser Gemarkung
bis auf den Kreuzberg (wo heute die Jugendherberge steht) reichte, wo
einst der “Kühtanz” oder “Sprungplatz” für
die Bullen lag. 1851 waren diese Wiesen arg vernachlässigt, wurden
deshalb drainiert und neu angelegt, aber schon 20 Jahre später an
Private verkauft.
aus „Notizen
aus dem Stadt-Archiv“
Beiträge zur Rüdesheimer Stadtgeschichte, herausgegeben von Stadtarchivar Rolf Göttert
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